Der Tagliamento (mittelalterlich deutsch: Dülmende) gilt als einer der letzten Wildflüsse der Alpen. Er ist bis weit in die Ebene hinein (bis etwa Latisana) noch weitgehend unreguliert; die dynamischen Prozesse des Flusses laufen noch immer großräumig und ungestört ab und bestimmen die Topographie.
Ausgedehnte Schotterflächen, bewachsene kleine Inseln und Auwälder bilden ein großes zusammenhängendes Ökosystem von etwa 150 km², das einzigartig in Europa ist. Sein Mittellauf, der letzte große Wildfluss in Mitteleuropa, beherbergt eine im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Zahl an Tier- und Pflanzenarten. Der italienische Filmregisseur, Dichter und Publizist Pier Paolo Pasolini verbrachte die Jahre während des Zweiten Weltkrieges in Casarsa della Delizia unweit des Tagliamento. Das sandige, schottrige und weite Flussbett (siehe Bild unten), in dessen Umgebung er sich gerne aufhielt, beeinflusste und inspirierte ihn in seinem filmischen Schaffen dahingehend, dass er bisweilen steinige, öde und karge Landschaften für seine Drehorte (Edipo Re-Bett der Gewalt) bevorzugte.
Die in folgender Verlaufsbeschreibung vergrößert und fett hervorgehobenen Verkehrsübergänge bzw. Passhöhen liegen innerhalb des Einzugsgebietes des Tagliamento.
Der Tagliamento entspringt in den Karnischen Alpen an der Ostauffahrt (neben der Straße) zum Passo della Mauria (Übergang ins Cadore und somit ins Piavegebiet) im Gebiet der Region Venezien auf 1.195 m Seehöhe. In Ostrichtung abfließend überschreitet er nach kaum 2 km die Regionsgrenze zu Friaul-Julisch Venezien. Eingebettet zwischen dem Bergmassiv des Monte Bivera (dt: Vesperkofel, 2.747 m, im Bild unten) im Norden und den Bergketten des Naturparks Riserva Naturale delle Dolomiti Friulane im Süden fließt er 25 km ohne nennenswerte Zuflüsse in Ostrichtung durch Forni di Sopra (907 m) und Forni di Sotto (800 m) bis zu einer unpassierbaren Schlucht, weshalb die ihn begleitende Straße SS 52 über den Sella di Cima Corso in ein rechtes Nebental seines linken Nebenflusses Lumiei wechselt.
Am Ende der Tagliamentoschlucht mündet bei der Ortschaft Caprizi (550 m) von Norden der 2 km lange Rio Festiniais-, und unmittelbar vorher noch von Süden der vom Forcella di Monte Rest (Übergang ins Livenzagebiet) kommende Rio Grasia ein. Die Nordabfahrt dieses Passes erreicht hier das Tagliamentotal, überquert den Fluss, passiert die Ortschaft Caprizi und verlässt das Tal wieder in Nordrichtung über die Forcella di Priuso.
Rund 8 km flussabwärts von Caprizi mündet bei der Ortschaft Socchieve (486 m, im Bild unten) von links der 22 km lange Fiume Lumiei in den Tagliamento, aus dessen Talschaft Straßen über die Forcella di Priuso ins Tagliamentotal -, über die Sella di Rioda und die Sella di Razzo ins Piavegebiet -, sowie über den Passo del Pura ins Tal des rechten Lumiei-Zuflusses Torrente Teria führen.
Knapp unterhalb der Lumieimündung erreicht bei der Ortschaft Preone (380 m) von Süden der das Val Preone entwässernde über 8 km lange Torrente Seazza den Tagliamento. Durch dieses Tal führt eine Straße über die Sella Chiampón ins Tal des Arzino.
Bei dem 5 km unterhalb von Preone gelegenen Ort Esemon di Sotto mündet von Norden der das Canale di Gorto entwässernde Torrente Degano in den Tagliamento (360 m, im Bild unten).
Der 37 km lange Degano entsteht an der Südseite des die Staatsgrenze zu Österreich und die Donau/Adria-Wasserscheide bildenden Karnischen Hauptkamms östlich des Piave-Ursprungs auf 1.039 m Seehöhe zwischen dem Monte Avanza (2.489 m) und dem Monte Chiadenis (2468 m) durch den Zusammenfluss des Rio Fleons und des Rio Bordaglia.
Parallel zum Piave fließt er rund 5 km in Südrichtung (siehe Karte oben linkes oberes Eck) bis zur Ortschaft Forni Avoltri (888 m, im Bild unten), bei der von Westen der laut AVE-Gebirgsgruppeneinteilung der den Karnischen Hauptkamm von den Südlichen Karnischen Alpen trennende Rio Acqualena (auch Rio Geu) zufließt, durch dessen Tal eine Straße über die Cima di Sappada ins oberste Piavetal führt.
Der Degano dreht (nunmehr selbst zum Grenzfluss zwischen Karnischen Hauptkamm und Südlichen Karnischen Alpen geworden) in Südostrichtung, passiert nach 7,5 km die Ortshaft Rigolato (759 m), nach der er wieder Südrichtung einnimmt und nach weiteren 6 km die Ortschaft Comeglians (553 m, im Bild unten) erreicht, bei der von Osten der den Karnischen Hauptkamm von den Südlichen Karnischen Alpen trennende über 3 km lange Rio Margò einmündet, durch dessen Tal eine Straße über die Sella Valcalda nach Paluzza führt.
Unterhalb von Comeglians mündet von Westen der das Val Pesarina entwässernde 22 km lange gleichnamige Bach in den Degano, durch das eine Straße über die Forcella Lavardet ins Piavegebiet führt. Südlich der Pesarinamündung erreicht bei der Ortschaft Ovaro (525 m, im Bild unten) von Osten der 6 km lange Rio Canonica, dem kurz vorher der an der Sella Monte Zoncolan entsprungene etwa gleich lange Rio Pizul von rechts zugeflossen ist, den Degano.
Der Degano passiert die hoch über dem rechten Ufer gelegene Ortschaft Raveo (509 m, im Bild unten), danach die am linken Ufer gelegene Ortschaft Villa Santina (363 m) und mündet 11 km südlich von Ovaro südlich des Weilers Esemon di Sotto in den Tagliamento.
Der Tagliamento fließt nach der Deganomündung weiter in Ostrichtung und erreicht nach 8 km die Stadt Tolmezzo (323 m, im Bild unten), bei der von Norden der das Canale di San Pietro entwässernde Torrente Bût und von Süden der 11 km lange Torrente Ambiesta einmünden, durch dessen Tal eine Straße über die Sella Chianzutàn ins Arzinotal führt.
Der 33 km lange Bût entspringt wie der Degano ebenfalls im Grenzgebiet zu Österreich. Seine Quellbäche liegen am Südosthang des höchsten Berges der Karnischen Alpen, des 2.780 m hohen Monte Coglians (dt: Hohe Warte) nahe dem auf der Donau/Adria-Wasserscheide liegenden Grenzübergang Plöckenpass (Straßenübergang ins Draugebiet). In Timau (830 m), dem südlichen Ausganspunkt der Passstraße, wird der Bût auch vom Fontanone di Timau gespeist, einer typisch karsischen Quelle auf 889 m Seehöhe, die auf dem Südhang der Creta di Timau (2.217 m) liegt (im Bild unten).
Fast stets in Südrichtung durch sein Canale di San Pietro genanntes Tal fließend erreicht er nach 10 km die Ortschaft Paluzza (605 m), wo ihm von Westen der den Karnischen Hauptkamm von den Südlichen Karnischen Alpen trennende Torrente Gladegna (siehe Karte unten) zufließt, durch dessen Tal eine Straße über die Sella Valcalda ins Canale di Gorto führt, und von Osten der ebenfalls die genannten Gebirgsgruppen trennende 6 km lange Torrente Pontaiba einmündet, aus dessen Tal eine Straße über die Forcella di Liûs ins Tal des Bûtzuflusses Torrente Chiarzo führt.
Unmittelbar nach Paluzza durchfließt der Torrente Bût die Ortschaft Sutrio (570 m), von der in Westrichtung eine Straße über die Sella Monte Zoncolan ins Canale di Gorto führt, und erreicht nach 10 km die Ortschaft Cedarchis (420 m, im Bild unten), wo ihm von links der 11 km lange Torrente Chiarzo zufließt, aus dessen Tal in Westrichtung eine Straße über die Forcella di Liûs zurück zum Oberlauf des Bût führt. Vom Talschluss dieses auch Canale d’Icaroio genannten Tales führt in Ostrichtung eine Straße über den Passo del Cason di Lanza (dt: Lanzenpass) ins Kanaltal.
Das Canale di San Pietro endet rund 7 km südlich der Chiarzoeinmündung bei Tolmezzo, wo sich der Torrente Bût in den Tagliamento ergießt.
Dem Tagliamento fließt 12 km weiter flussabwärts nach der Ortschaft Amaro (296 m) sein größter Nebenfluss, die aus dem Val Canale kommende und anschließend das Canal del Ferro durchfließende Fella von links zu (im Bild unten).
Die 54 km lange Fella (slow: Bela) entspringt an der Donau/Adria-Wasserscheide am Südabhang des die Grenze zu Österreich bildenden Karnischen Hauptkammes auf über 1.500 m Seehöhe, von wo sie auf die Westseite der Talwasserscheide von Camporosso (816 m, Übergang ins Draugebiet) hinabstürzt, über die neben diversen Haupt- und Nebenstraßen auch die Transitverkehrswege von Bahn (Pontebbabahn) und Autobahn (A 23, Autostrada Alpe Adria) von Udine ins österreichische Gailtal führen und bei Villach das Drautal erreichen. Sie durchfließt in Westrichtung als Grenze zwischen dem Karnischen Hauptkamm (rechtes Ufer) und den Julischen Alpen fast 20 km lang das untere Kanaltal, wobei ihr auf dieser Strecke sowohl von Süden (z.B. aus dem Valbruna), als auch von Norden (Valle di Uggovizza und Vallone Malborghetto, im Bild unten) mehrere unbewohnte Täler entwässernde Bäche zufließen.
Bei der am Westende des Kanaltals gelegenen Stadt Pontebba (568 m) erreichen von Norden der Rio Bombaso -, durch dessen Tal eine Straße über das Nassfeld ins österreichische Gailtal führt, und von Westen der im Unterlauf den Karnischen Hauptkamm von den Südlichen Karnischen Alpen trennende Torrente Pontebbana, aus dessen Tal eine Straße über den Lanzenpass nach Paularo führt, das Westende des Val Canale genannten Teiles des Fellatales. Die genannten Bäche vereinigen sich noch unmittelbar vor der Einmündung in die Fella (im Bild unten der Zusammenfluss von Pontebbana und Fella). Vom untersten Teil des Val Pontebbana führt in Südwestrichtung eine Straße über die Sella di Cereschiatis ins Val d’Aupa.
Ab Pontebba in Südrichtung durch das nunmehr Canal del Ferro genannte Tal fließend erreicht die Fella nach 7 km von Osten der das Canale di Dogna entwässernde Bach. Durch dieses Tal führte einst eine Straße über die Sella di Sompdogna (1.392 m) ins Valbruna und ins westliche Val Canale, jedoch ist diese Passhöhe nur mehr vom Canale di Dogna aus anfahrbar (im Bild unten), da die Ostrampe verfallen bzw. teilweise weggespült ist.
Weitere 5 km flussabwärts mündet bei Chiusaforte (391 m) ebenfalls von Osten der 15 km lange Torrente Raccolana in die Fella. Durch sein Canale di Raccolana genanntes 13 km langes Tal führt eine Straße über die Sella Nevea und das Gailitztal nach Tarvis und somit ins Draugebiet.
Die nach Chiusaforte wieder in Westrichtung übergehende Fella erreicht nach 7 km die Ortschaft Resiutta (316 m), wo von links der zwar nur 15 km lange, jedoch sehr fischreiche Torrente Resia (im Bild unten) einmündet, aus dessen Tal eine Straße über die Sella Carnizza ins Isonzogebiet und nach Slowenien führt.
Knapp 2 km weiter flussabwärts mündet bei der Ortschaft Móggio di Sotto von rechts der das 15 km lange Val d’Aupa entwässernde gleichnamige Bach in die Fella (im Bild unten). Dort erreicht auch die von der Sella di Cereschiatis kommende Straße das Eisental. Schließlich erreicht die Fella nach weiteren 7 km das Ende des Canal del Ferro und mündet bei Amaro in den Tagliamento.
Der Tagliamento fließt nach der Fellaeinmündung in Südrichtung und erreicht nach 15 km bei Osoppo (184 m, im Bild unten) die dort sein linkes Ufer bereits berührende Oberitalienische (Friauler) Tiefebene, wo ihm von Norden der den Lago di Cavazzo entwässernde Torrente Leale zufließt, aus dessen Tal eine Straße über die Cuel di Forchia ins westlich benachbarte Tal des Torrente Arzino führt.
Der 30 km lange Arzino (im Bild unten) erreicht den Tagliamento rund 10 km unterhalb der Lealemündung, bevor dieser zwischen den auf Anhöhen gelegenen Ortschaften Pinzano al Tagliamento (451 m, rechtes Ufer) und Ragogna (270 m) eine kleine Furth passiert (153 m) und in die Friauler Tiefebene eintretend das Alpengebiet verlässt. Außer der bereits erwähnten Straßenverbindung über die Cuel di Forchia zum Cavazzo See führen aus dem Arzinotal Straßen über die Sella Chianzutàn und die Sella Chiampón ins mittlere Tagliamentotal zurück.
Nach der 2 km von dem auf einer Anhöhe gelegenen Ort San Daniele del Friuli (im Bild unten) entfernten Ortschaft Ragogna passiert der Tagliamento die 20 km westlich von Udine gelegen Ortschaft Cosa (110 m), bei der von rechts der 30 km lange gleichnamige Bach einmündet, aus dessen Tal eine Straße über die Sella di Sualdin ins Val Tramontina und somit ins Livenzagebiet führt.
Der Tagliamento durchfließt nach weiteren 40 km die Stadt Latisana (7 m, im Bild unten die dortige Eisenbahnbrücke über den Tagliamento), wird kurz vorher zum Grenzfluss zwischen Venezien (rechtes Ufer) und Friaul-Julisch Venezien und erreicht als solcher weitere 25 km später zwischen den Badeorten Lignano und Bibione die Adria.
Die Tagliamentomündung liegt am Westende der Laguna di Marano, östlich der der Isonzo das Meer erreicht.