Unter der insbesondere im Italienischen und Französischen benutzten Bezeichnung Lepontinische Alpen sind die Gebirgszüge zwischen dem Rhône- und dem Rheintal im Norden, dem Simplonpass im Westen, dem Splügenpass im Osten und den oberitalienischen Seen im Süden zusammengefasst. Der Name leitet sich von den Lepontiern ab, einem im Altertum an der oberen Rhône und im heutigen Tessin lebenden Volk, dessen Hauptort Oscellä (heute Domodossola) war. Die Lepontier dürften ursprünglich dem etruskischen Kulturkreis entstammen und sich später mit den Stämmen keltischer Zuwanderer vermischt haben.
Die SOIUSA-Einteilung fasst unter dem Begriff Lepontinische Alpen die in der Schweiz Tessiner Alpen (zwischen Simplon und Gotthardpass) und Adula Alpen (zwischen Gotthard und Splügen) genannten Gebirgsgruppen zusammen, wobei diese beiden Gebirgsgruppen unter diesen Namen gemäß SOIUSA als Untergruppen der Lepontinischen Alpen gelten.
Nach den Alpinführern des SAC werden die Adula Alpen jedoch nicht als eigene Gruppe geführt, sondern werden teilweise in Bündner-, Tessiner- und Misoxer Alpen aufgeteilt. Andere Thesen sehen das Gotthardmassiv zwischen Gries-/Nufenenpass im Westen und Lukmanierpass im Osten als eigene Gebirgsgruppe an und ordnen Gebiete zwischen Simplon und Nufenenpass den Walliser Alpen zu. All diese Theorien fanden in den vorherrschenden Lehrmeinungen keine Zustimmung und bleiben daher in den gegenständlichen Ausführungen unbeachtet. Viel interessanter und erwähnenswerter hingegen erscheint der Verlauf des Alpenhauptkamms in den Lepontinischen Alpen zwischen Gotthard- und Lukmanierpass.
In diesem Abschnitt kommt es auf Tessiner Gebiet zum Kuriosum der zweimaligen Teilung (mit gleich anschließender Wiedervereinigung) der ansonsten zwischen Ligurien und Wien ununterbrochenen Kamm- und Gipfelkette des Alpenhauptkamms (siehe auch Ausführungen in Band 1). Der in grundsätzlicher Ostnordostrichtung von der Scheitelhöhe des Gotthardpasses zum rund 20 km (Luftlinie) entfernten Lukmanierpass verlaufende Alpenhauptkamm teilt sich sowohl zwischen Punta Negra (2.714 m) und Pizzo Taneda (2.667 m), als auch zwischen Piz Corandoni (2.659 m) und Schenadüi (2.678 m) in zwei jeweils kaum 3 km lange Bergketten auf, die 2 abflusslose Gebirgskessel umschließen. Am tiefsten Punkt des westlichen, zwischen Punta Negra und Pizzo Taneda liegenden Kessels liegt auf 2.022 m Seehöhe der Lago di Tom (im Bild unten).
Das Gebiet dieser beiden Kessel ist (da abflusslos) weder dem Inneren, noch dem Äußeren Alpenbogen zuordenbar. Der Wasserhaushalt dieser Seen regelt sich durch die Balance zwischen Niederschlag und Verdunstung. Vermutlich kommt es auch zu Versickerungen, wobei nicht erforscht ist, ob das Sickerwasser im nördlich gelegenen Quellgebiet des Reno di Medel im Val Cadlimo (im Bild unten) wieder zu Tage tritt und über den Rhein den Atlantik erreicht, oder südlich der beiden Kessel über Ticino und Po in die Adria und somit ins Mittelmeer fließt.
Der Schweizer Anteil am Gebiet der Lepontinischen Alpen wird im Rahmen gegenständlicher Ausführungen SOIUSA-konform umgrenzt:
Die innerschweizer Begrenzung des Gebietes verläuft als Westgrenze zu den Walliser Alpen von der Grenzortschaft Gondo die Gondoschlucht und das Chrumbachtal aufwärts bis zur Passhöhe des Simplon und von dort das Saltinatal abwärts bis zur Einmündung der Saltina in die Rhône bei Brig.
Sodann als Nordgrenze zu den Berner Alpen das Rhônetal von Brig aufwärts über den Furkapass und der Furkareuss folgend ins Urseren bei Andermatt. Weiterhin in Ostrichtung als Grenze zu den Glarner Alpen der Oberalpreuss aufwärts folgend zum Oberalppass und das Vorderrheintal abwärts bis Tamins (Vereinigung von Vorder- und Hinterrhein).
Von Tamins in Südrichtung als Ostgrenze zu den Rätischen Alpen den Hinterrhein aufwärts bis zur Ortschaft Splügen und ab dort das Tal des Hüscherenbaches (im Bild unten unterhalb der Splügenpasshöhe) aufwärts bis zur italienischen Grenze am Scheitel des Splügen ist die innerschweizer Begrenzung der Lepontinischen Alpen ident mit der Westalpen/Ostalpen-Grenze.
Ab dem Splügen bildet die Staatsgrenze zu Italien die Grenze des zur Schweiz gehörenden Gebietes der Lepontinischen Alpen. Sie verläuft vom Splügenpass bis zum San-Jorio-Pass (im Bild unten der Passanstieg), der die Lepontinischen Alpen von den Luganer Alpen trennt.
Die Südgrenze des schweizerischen Gebietes der Lepontinischen Alpen verläuft ab dort in Westrichtung (gleichzeitig als Nordgrenze der Luganer Alpen) wieder über Schweizer Staatsgebiet der Insubrischen Linie über Bellinzona (Hauptort des Kantons Tessin, im Bild unten) bis zum Lago Maggiore folgend und erreicht die Grenzortschaft Caviano.
Von Caviano bis Gondo bildet wieder die Staatsgrenze zu Italien (siehe Grenzverlaufsbeschreibung im Vorkapitel Abgrenzung des Schweizer Alpengebietes) die Begrenzung des schweizerischen Gebietes der Lepontinischen Alpen. Dieses Gebiet verteilt sich in seinem Nordteil auf die Kantone Wallis, Uri und Graubünden; der Südteil liegt im Kanton Tessin.